Memorial rally in Hanau 18.02.24

February 19th 2024 marks the 4th anniversary of the extreme right-wing and racist attack in Hanau, in which nine people were killed for racist reasons and countless others were traumatized. In addition to their grief, the relatives have been busy since February 19, 2020 trying to clarify the brutal murders and the "chain of failure" of their loved ones, because too many questions remain unanswered. The Initiative 19. Februar Hanau is once again inviting to nationwide commemorative events this year.

We hereby invite you to join us on February 18th 2024 at 6 pm on the market square in Ulm near the Rathaus to commemorate the dead of Hanau and the countless other victims of extreme right-wing violence.

You can support us by sharing our appeal and the sharepic. We would also be delighted if you could distribute posters, act as a steward at the rally or give a speech alongside us. Please get in touch with us. If you would like to receive printed posters from us, please contact us.

#saytheirnames #hanau #keineinzelfall

 

 

Speech fclr

Here you can find our speech of remembrance for the 9 young, dead people of Hanau, in German. The speech is inspired by Şeyda Kurt's words in the podcast episode "SayTheirNames - One year after February 19th". Quotes were mostly taken from the Hanau Protocols, written by Özlem Gezer and Timofey Neshitov. We didn´t translate the speech, the speech is in German. The two links are also in German.


"Diese Rede wird ca. 8 min gehen.


Mercedes Kierpacz.
35 Jahre. Geboren in Offenbach, Deutschland. Ihre Großeltern kamen aus Katowice, Polen, nach Deutschland. Die Familie ist rom. Sie hatte zwei Kinder und zog sie allein groß. Manchmal drehte sie die Musik in der Küche laut auf und tanzte. Im „Kiosk 24/7“ stand sie hinter der Tür des Haupteingangs. Der Täter kam zur Seitentür rein, sah sie sofort und erschoss sie.
Zitat des Vaters: "Mein Opa wurde im KZ vergast, meine Tochter in Hanau erschossen."

Gökhan Gültekin.
37 Jahre. Geboren in Hanau. Seine Eltern kamen aus dem Südosten der Türkei nach Deutschland, Hanau. Er arbeitete als Hausmeister in Krankenhäusern, abends arbeitete er im „Kiosk 24/7“. Das Geld sparte er für die Hochzeit mit seiner Verlobten. Mit seinem Neffen teilte er sich ein Zimmer.
Zitat seines Bruders: "Es gibt ein Foto, darauf sieht man die Hand des Pathologen – und in der Hand das Herz meines Bruders. Ich werde das nie vergessen."

Sedat Gürbüz.
29 Jahre. Aufgewachsen in Dietzenbach, Deutschland. Mit einer Abfindung von Rewe kaufte er sich einen Gewerberaum, den er zur „Shisha Bar Midnight“ machte. Er verkaufte sie kurz vor dem 19. Februar. An dem Abend war er in der Bar, um sich von seinen ehemaligen Kolleg*innen zu verabschieden.
Zitat seines Vaters; „Vielleicht hätte ich als Vater meinen Sohn nehmen und dieses Land verlassen sollen. Wofür betteln wir eigentlich? Und wenn sie sein Grab in Gold gießen. Er kommt nicht mehr wieder.“

Said Nesar Hashemi.
21 Jahre. Aufgewachsen in Hanau. Seine Eltern kamen in den 80er Jahren aus Kabul, Afghanistan, nach Deutschland. Am 19. Februar fuhr er mit seinem Bruder, Said Etris Hashemi, nach Frankfurt. Dort ließen sie sich gemeinsam die Postleitzahl von Hanau Kesselstadt tätowieren: 63454.
Zitat der Mutter: "Ich habe das erste Mal in meinem Leben eine Leiche gesehen, es war die meines Sohnes."
Sein Bruder überlebte den Anschlag schwer verletzt.

Hamza Kurtović.
22 Jahre. Geboren in Hanau. Seine Großeltern kamen aus dem damaligen Jugoslawien, heute Bosnien und Herzegowina, nach Deutschland. Obwohl er eines der jüngeren Kinder der Familie war, war er der Erwachsene, beschrieb sein Vater. Schon als Kind sei er ruhig und nachdenklich gewesen. Im Bericht der Leichenbesichtigung steht, Zitat, „orientalisches-südländisches Aussehen“. Er hatte blondes Haar und blaue Augen.
Zitat des Vaters: „Wäre die Tat in einem deutschen Bierkeller passiert, wäre der Notausgang offen gewesen.“

Vili Viorel Păun.
22 Jahre. Seine Eltern kamen mit ihm aus Rumänien nach Deutschland, als er 16 war. Die Familie ist rom. Er sprach 5 Sprachen. Er hat Pakete für Amazon ausgeliefert und wollte einmal Lebensmitteltechniker werden. Als er am 19. Februar Schüsse hörte, begann er dem Täter hinterherzufahren. Die Kugeln trafen ihn auf einem Lidl Parkplatz in seinem Auto, nach 2,4 km.
Monate später erhielten seine Eltern das Handy ihres Sohnes. Der Vater sah, dass sein Sohn drei Mal versuchte, den Notruf 110 zu erreichen. Vergeblich.

Fatih Saraçoğlu.
34 Jahre. Eine Woche vor dem 19. Februar sei er voller Vorfreude gewesen, da ein Beitrag über seine Firma veröffentlicht werden sollte. Er war Kammerjäger. In der neuen Stadt traf er wieder auf einen Menschen, den er aus Regensburg kannte. In Hanau wurden sie ein Paar. Als er erschossen wurde, rauchte er eine Zigarette am Straßenrand.
Zitat seiner Partnerin: „Ich hätte mir auch nie vorgestellt, dass ich in Bauarbeiterklamotten losgehe, [Ratten und Kakerlaken] jage und umbringe, aber das ist das, was Fatih geliebt hat, seine Arbeit.“

Ferhat Unvar.
23 Jahre. Geboren in Hanau. Schon als Kind las er viel. Seine Mutter gab ihm früh Bücher. Er wollte studieren und später einmal selbst ein Buch schreiben. Nachdem er angeschossen wurde, stieg ein Polizist mehrmals über ihn. Er beugte sich kein einziges Mal zu ihm runter. Monate später erfuhr Serpil Temiz Unvar die offizielle Todeszeit ihres Sohnes. 03:10 Uhr.
Zitat. Çetin Gültekin: "Vielleicht haben sie ja nur die Zwei vergessen aufzuschreiben, Serpil, vielleicht ist seine Sterbezeit 23.10, statt 3.10 Uhr, verstehst du?". Serpil Temiz Unvar: "Nein, verstehe ich nicht."

Kaloyan Velkov.
33 Jahre. Rom. Er lebte seit zwei Jahren mit seiner Mutter in Deutschland, 20 km entfernt von Hanau. In Bulgarien war er LKW-Fahrer und fuhr in den Irak oder nach Syrien. Am Abend des 19. Februar hat er seinem Sohn eine Winterjacke nach Bulgarien geschickt. Später stand er hinter der Theke in der Bar „La Votre“. Kaloyan Velkov wurde als erste Person erschossen. Er wurde als letzte Person beerdigt.
Zitat seiner Cousine: „[Sein Sohn,] Alex ist acht Jahre alt, wenn wir ihn fragen, was er mal werden will, sagt er: Polizist. Er weiß bis heute nicht, warum sein Vater sterben musste.“

 

Wir erinnern an:

Mercedes Kierpacz
Gökhan Gültekin
Sedat Gürbüz
Said Nesar Hashemi
Hamza KurtovićVili Viorel Păun
Fatih Saraçoğlu
Ferhat Unvar
Kaloyan Velkov
 

Say their names.

Vielen Dank fürs Zuhören."